Dauerhaftes Gesandtschaftswesen in Europa und das bayerische diplomatische System
Die Etablierung eines dauerhaften Gesandtschaftswesens lässt sich zunächst für die Staaten Italiens beobachten. Auf der italienischen Halbinsel existierte schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein System wechselseitig getauschter, permanenter Gesandtschaften, das zum Teil bereits auf einzelne Höfe nördlich der Alpen ausgeweitet worden war. Um 1500 erfolgte außerdem der Aufbau eines Dauergesandtschaftssystems durch die spanischen Könige sowie eines päpstlichen Nuntiaturwesens, das die katholischen Teile Europas umspannte. Erst später folgte der systematische Ausbau eines permanenten Gesandtschaftsapparats in Frankreich und in England. Ebenso entwickelte sich ein permanentes kaiserliches Gesandtschaftswesen hauptsächlich erst in den Jahrzehnten nach dem Westfälischen Frieden von 1648, der die Entsendung von diplomatischen Vertretern als Privileg der Souveräne festschrieb und zudem die bereits lange geübte Praxis eines aktiven Gesandtschaftsrechts der Reichsstände bestätigte. Obwohl das diplomatische Wesen des Kurfürstentums Bayern auch im 17. Jahrhundert noch ganz im Zeichen kurzzeitiger Ad-hoc-Gesandtschaften stand und man als dauerhafte Informanten an bedeutenden Höfen überwiegend Agenten ohne diplomatischen Status beschäftigte, erhielt die bayerische Vertretung in Rom als Erste bereits im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts den Charakter einer ständigen und offiziellen Gesandtschaft. Einen intensiven Ausbau erfuhr das bayerische Gesandtschaftswesen insbesondere unter Kurfürst Max Emanuel (reg. 1679-1726), während dessen Regierungszeit an den wichtigen europäischen Höfen sowie am Reichstag in Regensburg ständige Vertretungen eingerichtet und diese gezielt für seine außenpolitischen Ambitionen genutzt wurden, sowie während des Kaisertums Karl Albrechts, der als Karl VII. (1742-1745) ein dem kaiserlichen Anspruch von Umfang und Status der Diplomaten adäquates Netzwerk zu instituieren versuchte. Vor allem finanzielle Erwägungen zwangen seine Nachfolger, das diplomatische System Bayerns wieder den außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten eines deutschen Mittelstaates anzupassen. Galten die Immunität der Gesandtschaft sowie die Exterritorialität einer Botschaft bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als wesentliche Prinzipien der Diplomatie, setzte sich die ausschließliche Beauftragung eigener Untertanen mit der diplomatischen Vertretung erst nach der Französischen Revolution durch. Zu einer weiteren Professionalisierung des diplomatischen Personals führten in Europa ebenfalls erst ab dem 19. Jahrhundert die Zunahme diplomatischer Karrieren. Für den bayerischen diplomatischen Dienst lässt sich diese Professionalisierung bereits für die Zeit unter Minister Montgelas (1799-1817) beobachten, da die Bedeutung des diplomatischen Systems aufgrund der sich wechselnden Allianzen während der napoleonischen Kriege zunahm. Über die Gründung des Deutschen Reichs 1870/71 hinaus behielten die deutschen Einzelstaaten das aktive und passive Gesandtschaftsrecht zusätzlich zum Reich. Während jedoch von dem Recht zum Empfang auswärtiger Gesandter, wenn es sich dabei in der Regel auch um Nebenbeglaubigungen der in Berlin residierenden Vertreter handelte, durch die größeren Höfe noch nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs intensiv Gebrauch gemacht wurde, unterhielten ab 1895 außer Bayern nur noch Preußen (am Heiligen Stuhl bis 1920 sowie von 1925 bis 1934) und Sachsen (in Wien bis 1920) als deutsche Einzelstaaten eigene diplomatische Vertretungen bei fremden Mächten. Von den insgesamt acht Gesandten, die am Vorabend des Ersten Weltkriegs nicht das Reich, sondern deutsche Einzelstaaten vertraten, handelten immerhin sechs Vertreter im Auftrag Bayerns. 1919 wurden trotz des Versuchs einer Revitalisierung des bayerischen Gesandtschaftswesens durch die Regierung Eisner schließlich fünf der verbliebenen bayerischen Gesandtschaften außerhalb des Reichs geschlossen (St. Petersburg, Paris, Wien, Bern und beim Quirinal) und nur die Vertretung am Heiligen Stuhl blieb bestehen. In München existierten dagegen die französische Gesandtschaft sowie die päpstliche Nuntiatur fort. Sämtliche genannten Vertretungen wurden mit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 aufgelöst.