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Außenbeziehungen Bayerns in der Neuzeit

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Ferdinand Kramer

Mitten in Europa, an zentralen Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen wie der Donau und im Vorfeld wichtiger Alpenübergänge gelegen, hat Bayern in seiner Geschichte stets Außenbeziehungen gepflegt. Das Land war und ist vielfältig vernetzt. Dynastie und Staat, Kirchen, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft standen in diversen Austauschprozessen. Seit dem Spätmittelalter organisierten die Landesregierungen transterritoriale und internationale Beziehungen mit Agenten an auswärtigen Höfen, seit dem 17. Jahrhundert bis 1933 mit Gesandtschaften und Konsulaten Bayerns zunächst in Europa, seit dem 19. Jahrhundert auch in Amerika. Umgekehrt bestellten andere Staaten Agenten, Gesandte und Konsuln am Münchner Hof bzw. seit 1918 bei der bayerischen Staatsregierung.

Charakter und Status der auswärtigen Vertretungen standen über die Epochen hinweg in Wechselbeziehung zum Wandel der Staatlichkeit Bayerns sowie zur politischen Bedeutung des Landes und bis 1918 des Hauses Wittelsbach im europäischen Gefüge. Als ambitionierter Mittelstaat und als Reichsstand des Hl. Römischen Reiches sah sich Bayern in seinen machtpolitischen Möglichkeiten in der Regel beschränkt. Gleichzeitig strebte es im regionalen Umfeld gegenüber mindermächtigen Nachbarn etwa im bayerischen oder aus dem schwäbischen und fränkischen Reichskreis oft eine dominante Stellung an. Mit dem Beginn der Neuzeit wirkten das jahrhundertelange Spannungsverhältnis zwischen dem Haus Österreich und Frankreich, die konfessionelle Spaltung Europas und die kulturelle Blüte in den Territorien der italienischen und iberischen Halbinseln sowie der Niederlande verstärkt auf die Organisation der Außenbeziehungen Bayerns ein. 1623 erlangte Bayern die Kurwürde. Seine Gesandtschaft bei den jahrelangen Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 konnte territoriale Erweiterungen und die Kur absichern. Zudem wurde die seit langem geübte Praxis der Pflege von Außenbeziehungen und damit die Etablierung von Gesandtschaften der Reichsstände reichs- und völkerrechtlich gesichert.

Folglich etablierte Bayern – zunächst noch als Ergänzung zu anlassbezogenen Kurzzeitgesandtschaften – erste, über längere Zeit vor Ort anwesende Agenten, dann nach 1648 feste Gesandte in Rom und Wien, später in Paris, Den Haag und Madrid, schließlich auch in London und St. Petersburg. Dazu kamen bayerische Vertreter bei verschiedenen Reichsständen, etwa in Kursachsen oder Württemberg und ein eigenes Agentensystem für den Salzhandel, der für Bayerns Staatshaushalt von eminenter Bedeutung war. Eine Intensivierung und Expansion erfuhr das Gesandtschaftswesen in oft durch Erbfolgekonflikte ausgelösten europäischen Krisen: So im Zuge der Ambitionen von Kurfürst Max Emanuel (1679-1726), der über Jahre als Statthalter der Spanischen Niederlande in Brüssel residierte und auf die Thronfolge in Spanien für seinen dann früh verstorbenen Sohn hoffte, sowie während des kurzen König- und Kaisertums von Karl VII. Albrecht (1742-1745) oder im Bayerischen Erbfolgekrieg 1778/79. Ab 1763 betreute ein eigenes „Department des Äußeren“ in München die bayerischen auswärtigen Gesandtschaften. Seit den 1770er Jahren legten die regierenden Wittelsbacher in Bayern, der Pfalz und in Zweibrücken in Erwartung der gegenseitigen Erbfolge zunehmend ihre Gesandtschaften zusammen, auch um Kosten zu sparen.

In München etablierten sich – mit Unterbrechungen – Gesandtschaften des Wiener Kaiserhofes, des Heiligen Stuhls, Frankreichs, Großbritanniens, punktuell auch Russlands, dann Kur-Sachsens sowie weiterer Reichsstände.

Gute Möglichkeiten zu internationaler Kommunikation ergaben sich für Bayern in der Frühen Neuzeit auch durch die Nähe zu den Reichsstädten Augsburg und Regensburg. Von Augsburg aus hatten die Fugger für ihre wirtschaftlichen Interessen ein Agentennetz aufgebaut, das die bayerischen Fürsten immer wieder auch für ihre Zwecke zu nutzen wussten. Das Wirtschaftszentrum Augsburg und das höfische Zentrum München entwickelten eine Art komplementärer Zentralität und entsprechende, beiderseits nutzbare Kommunikationsstrukturen in Europa und darüber hinaus. Ähnliche Wirkung sollte seit den 1660er Jahren die Etablierung des Immerwährenden Reichstags als ein europäischer Gesandtenkongress in Regensburg haben. Über die dort versammelten Agenten und Gesandten konnte der Münchner Hof die europäischen Höfe und die internationale Öffentlichkeit erreichen. Bisweilen waren auswärtige Gesandte in Personalunion für den Reichstag und den kurfürstlichen Hof akkreditiert. Die in Bayern ordinierten Bischöfe und ansässigen Orden mit ihren Kongregationen unterhielten allesamt transnationale Verbindungen, die bisweilen auch für politische Zwecke genutzt wurden und in beachtlichem Maße zu kulturellen Austauschprozessen beitrugen.

Im Jahr 1806 mit voller staatlicher Souveränität zum territorial um Franken und Schwaben erweiterten Königreich erhoben, errichtete Bayern nicht nur ein Ministerium des Äußeren, sondern entfaltete auch sein Gesandtschaftsnetz weiter. Dabei wird ein schon im späten 18. Jahrhundert erkennbarer Funktionswandel immer deutlicher. Zunehmend traten wirtschaftliche Interessen in den Fokus der Arbeit der Vertretungen Bayerns, während Gesandte europäischer Staaten und des Deutschen Bundes in München auch genau beobachteten, inwieweit Bayern seine Souveränität im Spannungsfeld zwischen Österreich, Preußen und Frankreich wahren konnte und wollte. Obwohl ab 1871 die Außenpolitik überwiegend in den Kompetenzbereich des kleindeutschen Kaiserreiches überging, dem Bayern nicht ohne Vorbehalte beitrat, behauptete das Königreich das Recht, eigene auswärtige Gesandtschaften sowohl in anderen deutschen wie auch sonstigen Staaten der Welt zu unterhalten. Nach dem staatlichen Umbruch von 1918 und der in der Weimarer Verfassung festgeschriebenen weiteren Konzentration der Kompetenzen für die auswärtigen Beziehungen beim Reich endeten dann die meisten internationalen Gesandtschaften Bayerns. Allerdings etablierte Frankreich erneut eine umstrittene Gesandtschaft in München und Bayern behielt seine Gesandtschaft am Heiligen Stuhl, die erst – genauso wie das Ministerium des Äußeren – nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein Ende fand.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Bayern im Zuge von wachsenden internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen und damit einhergehenden Migrationsprozessen ein mehrere Kontinente umspannendes Netz an konsularischen Vertretungen eingerichtet. Dieses bestand bis zur Reichsgründung 1871. Andererseits, und dauerhafter, wurden in München, aber zeitweise auch in Augsburg und Nürnberg immer mehr auswärtige Konsulate eingerichtet. Während der beiden Weltkriege übernahm das Konsulat der neutralen Schweiz die Vertretung der zahlreichen Staaten, die Kriegsgegner des Deutschen Reiches geworden waren und ihre Konsulate deswegen schlossen. Da Bayern 1945 mit Ausnahme der Rheinpfalz territorial erhalten blieb und vollständig zur amerikanischen Besatzungszone zählte, etablierte die Militärregierung bald wieder ein US-Konsulat in München, das angesichts von zahlreichen Displaced Persons, die in ihre Heimat zurückkehren wollten oder eine neue Heimat suchten, zeitweise zum größten US-Konsulat der Welt aufwuchs. Es folgten bald weitere Konsulate auswärtiger Staaten aus aller Welt in München, zumal im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1972. Allerdings kam es im Zuge der Zuspitzung des Kalten Krieges in den frühen 1960er Jahren zeitweise auch zum Rückzug von Konsulaten osteuropäischer Staaten.

Von bayerischer Seite bekam die Pflege von Außenbeziehungen in den Jahren der Weimarer Republik und dann wieder nach 1945 zunehmend auch symbolische Bedeutung für die Staatlichkeit des Landes im Ringen um die Behauptung von Kompetenzen im föderalen System der Weimarer Republik und dann der 1949 etablierten Bundesrepublik, die mit dem Grundgesetz die Außenpolitik im Wesentlichen beim Bund konzentrierte. Allerdings behaupteten die Länder in Kooperation mit dem Bund Spielräume für Außenbeziehungen im Rahmen ihrer Kompetenzbereiche, etwa der Kulturhoheit. Überlegungen der Staatsregierung in den 1950er Jahren, die bayerische Vatikangesandtschaft wieder aufleben zu lassen, blieben letztlich ohne Folgen. Fortgeschrieben wurden zum Teil ältere völkerrechtliche Verträge Bayerns, wie etwa das 1925 abgeschlossene Konkordat mit dem Hl. Stuhl oder die ursprünglich im 19. Jahrhundert vereinbarte Salinenkonvention mit Österreich. In den Bereichen transnationaler interregionaler Zusammenarbeit wie mit der Anfang der 1970er Jahre eingerichteten Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer und in der auswärtigen Kulturpolitik entwickelte der Freistaat Initiativen, blieben doch Kultur und Wissenschaft zentrale Länderzuständigkeiten. Die Ministerpräsidenten, denen die Verfassung des Freistaates 1946 die Zuständigkeit für Außenbeziehungen Bayerns zugewiesen hatte, unternahmen in wachsendem Maße offizielle Auslandsreisen. Sie wurden dabei von einer entsprechenden Abteilung der Staatskanzlei und von einem Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten unterstützt. Landesvertretungen in Bonn, später Berlin, dann auch in Brüssel bei der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union knüpften – ohne vergleichbaren formalen Status – an ältere bayerische Gesandtschaftstraditionen an. Mit Blick auf die wachsende Bedeutung außenwirtschaftlicher Verflechtungen und wissenschaftlicher Zusammenarbeit im Zuge der Globalisierung etablierte der Freistaat Partnerschaften mit verschiedenen Regionen in der Welt und einschlägige Vertretungen bzw. Büros, sog. Repräsentanzen, die zum Teil mit der Organisation „Invest in Bavaria“ unter dem Dach des Bayerischen Wirtschaftsministeriums entwickelt wurden.

Agenten, Gesandtschaften, Konsulate, Büros, Vertretungen haben über die Jahrhunderte bisweilen sehr spezifische politische, wirtschaftliche, kulturelle, konsularische, zum Teil aber auch sehr unspezifische Aufgaben zugewiesen bekommen. In jedem Fall haben sie internationale Kommunikation ermöglicht, erleichtert und befördert, nicht selten auch persönliche Beziehungen und Vernetzungen. Umfangreiche, über Jahrhunderte aufbewahrte Quellenkorpora in Archiven in Europa und der Welt geben über ihre Tätigkeit und Wahrnehmung Auskunft. Sie bieten einen bedeutenden Ansatzpunkt für die historische Forschung, die transnationale Verflechtungen und interkulturelle Wahrnehmung und Austauschprozesse zu einem wichtigen Anliegen ihrer Arbeit gemacht hat und zu einem vertieften Verständnis dieser Phänomene jenseits überkommener Grenzen hinweg beitragen will.